Von der Freiheit NEIN zu sagen

Jeder hat so seine eigenen Ideen was sein Pferd alles können muss. Auch das Pferd. Und zwischen diesen beiden Ansichten liegen meist Welten.  Das Problem ist, dass Du als Mensch immer nur von Dir ausgehen kannst. Du hast Deine eigenen Anforderungen und Vorstellungen von Dir und dem was Du leistest. Und es ist ganz natürlich, diese Sichtweise auf alle anderen zu übertragen.

Und andere sollen dann bitteschön auch so sein wie Du sie haben möchtest. Das trifft auch auf Dein Pferd zu: jetzt soll es bitte ruhig stehen, jetzt soll es bitte schneller laufen und jetzt soll es bitte die Übung nochmal und nochmal machen.

Und wenn das Pferd dann nicht mehr möchte oder kann, bist Du vielleicht ehrgeizig und versuchst es jetzt erst recht noch und noch eine Runde. Denn mit so einem schlechten Ergebnis darf man ja nicht aufhören. Sonst lernt das Pferd dass es damit durchkommt.

Dabei kannst Du Dir das Leben auch einfacher machen. Lass andere – auch Dein Pferd – so sein wie sie sind. Wenn Dein Pferd „Nein“ sagt, lass es nein sagen und finde einen anderen Weg. Wenn Du beispielsweise rechts abbiegen möchtest, Dein Pferd aber links abbiegt, hast Du mehrere Möglichkeiten: entweder legst Du Dich mit Deinem Pferd an und forderst aber das rechts herum gehen. Das wird wohl dann wohl über starken Zug am Zügel und Krafteinsatz funktionieren. Oder Du schaltest blitzschnell gedanklich um und denkst: oh, super Idee, gehen wir linksherum. Und danach dann gleich auch nochmal rechts herum. Viele meiner Schüler fragen (sich) dann: aber dann hab ich mich doch nicht durchgesetzt und das Pferd macht was es will?

Um das besser zu verstehen muss man begreifen, dass Pferde mit einem starken Oppositionsreflex zur Welt kommen. Den brauchten sie zum Überleben wenn Weglaufen keine Alternative mehr ist, also der Tiger sie gestellt hat. Wenn der Tiger sich in die rechte Bauchseite verbissen hat, wäre es tödlich für das Pferd nach links auszuweichen, denn dann wäre der halbe Bauch aufgerissen. Daher gehen Pferde instinktmäßig gegen den Druck. In diesem Fall würden sie nach rechts auf den Tiger zugehen. In der Hoffnung dass dieser dann loslässt und sie doch noch entkommen können.

Wenn ich also meinem Pferd beibringen möchte, auf Druck nachzugeben und nach rechts zu gehen, kann es sein, dass ich dabei diesem überlebenswichtigen Oppositionsreflex begegne. Das Pferd ist darüber hinaus ja auch stärker als wir.  Was also macht Sinn?

Ich schaue mir die Grenze meines Pferdes in jeder Situation an und erlaube ein Nein. Denn das Nein ist die Grenze. Wenn ich beim zweiten Versuch dann unter der Grenze meines Pferdes bleibe, löse ich den Oppositionsreflex nicht aus, bekomme eine Reaktion in meine gewünschte Richtung (z.B. das nach rechts schauen) und kann dann loben. Wenn ich lobe, verstärke ich damit den Versuch des Pferdes.

Und etwas noch viel wichtigeres und größeres passiert: wenn ich meinem Pferd Raum gebe für „ich kann das nicht oder will das nicht“, entsteht Freiheit. Und Freiheit führt zu Freiwilligkeit und Spaß und Leichtigkeit.

Das kannst Du bei Dir selbst überprüfen: Angenommen, jemand fordert Dich auf, ihm bei etwas zu helfen, worauf Du jetzt keine Lust hast. Die Formulierung „Du kannst mir hier ruhig mal bei helfen“ wird aber nicht von einem inneren Punkt der Frage (das beinhaltet immer die Freiheit auch nein sagen zu dürfen)  sondern der Forderung. Dann wirst Du evtl. einen Oppositionsreflex in Dir wahrnehmen. Und das Gleiche passiert bei Deinem Pferd.

Wenn Du also in Dir einen (großen) Raum für Freiheit Deines Pferdes schaffst, wirst Du nicht mehr verbissen Übungen mit Gegenwehr Deines Pferdes durchführen. Dann schaust Du in diesem Moment – jetzt – was es bereit ist Dir zu geben und bist dafür dankbar. Und dann versuchst Du es ein klein wenig länger oder öfter – aber immer unter dem Oppositionsreflex des Pferdes. Und wenn Du Dich dann richtig freust und Dein Pferd lobst, erlebst Du ein tief verbundenes Miteinander. Anstelle von Gegeneinander.

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