Ein neuer Stall bringt auch immer neue Eindrücke mit sich. Diese Woche hatte ich ein Erlebnis das mich zum Nachdenken und Teilen angeregt hat. Eine Gruppe von Einstellern haben sich unterhalten und eine weitere Einstellerin kam von einem Ausritt mit ihrem Pferd zurück. Sie wurde freundlich von der Gruppe begrüßt und brachte sich auch in die Gespräche ein. Es wurde diskutiert und gelacht und herumgestanden. Das Pferd das vom Ausritt kam, musste mitstehen. Mit Sattel und Trense. Diese Pferd scheint es so zu kennen, denn es verfiel in eine Art Trance. Kann man auch verwechseln mit „ruhig“ oder „das macht dem nichts – sieht man ja dass sie sich nicht bewegt“. Es dauerte ca. 10 Minuten bis die Reiterin ihr Pferd überhaupt wieder ansprach. Sie klopfte es, sprach zu ihm und begann dann mal den Sattel abzunehmen. Die Trense blieb drauf. Die Reiterin ging nochmal irgendwas holen, das Pferd blieb wieder tranceartig in der Gruppe stehen.
Ich habe auch schon extremeres Verhalten erlebt: eine Einstellerin holte ihr Pferd von der Weide, band es an den Anbinder und musste (vermutlich vor Erschöpfung) erstmal eine Zigarette rauchen. Schnell gesellten sich andere Einsteller dazu und es wurden 2,3 Zigaretten geraucht. Das Pferd stand die ganze Zeit am Anbinder. Das ganze Prozedere dauerte meist 2 Stunden bis sie sich endlich wieder mit ihrem Pferd beschäftigte. Ich glaube ich muss nicht extra betonen dass diese beiden (obwohl die Besitzerin sicher anderes behaupten würde) keine tatsächlich gute Beziehung haben. Denn was ist das für eine Art? Ich lade mir einen Freund zum Kaffee ein und verlasse dann (wortlos!) das Wohnzimmer für mehrere Minuten. Und das mache ich wieder und wieder. Was würde da in Euch vorgehen? Hättet ihr Lust, diesen Menschen möglichst oft zu besuchen?
Wenn ich auf den Ponyhof komme, überlege ich mir, was ich heute alles benötige an Equipment und mache schon einmal das Futter fertig, hole den Putzkasten und laufe dann mit Halfter los. Es gibt bei guter Organisation keinen Moment den ich nicht mit meinem Pferd verbringe. Ich bin ja auch da um die Zeit mit ihm zu verbringen. Wenn ich doch mal etwas vergessen habe oder feststelle dass ich noch etwas zusätzlich brauche, dann sage ich ihm das: ich komme gleich wieder. Und dann komme ich auch gleich wieder. Und rauche nicht noch eine oder verquatsche mich. Das ist mein Versprechen an meinen Freund dass wir eine gute Qualitätszeit miteinander verbringen. Gemeinsam.
Weitere wichtige Aspekte darin sind für mich Respekt und Wertschätzung dem anderen gegenüber. Wer immer andere Dinge macht während er mit seinem Pferd zusammen ist, zeigt vermutlich auch ein Abbild der heutigen Zeit: Menschen die miteinander in einem Restaurant sind oder sich getroffen haben aber zeitgleich immer am Handy tippen oder checken irgendetwas. Keiner ist wirklich mit dem anderen da, nimmt ihn wahr, sieht ihn jetzt (statt nur das von unserem Gehirn angebotene Abbild wahrzunehmen), fühlt sich hinein. All das geht nur wenn ich im Augenblick bin, wenn ich ganz da bin. Und das ist es doch eigentlich auch, was wir Menschen so am Pferd schätzen, dass wir uns so gut in seiner Gegenwart fühlen. Wer so unbewusst mit sich und seinem Pferd umgeht wird einen faden Nachgeschmack erleben in Form von dem Gefühl, nicht genug Zeit zu haben oder auch nichts wirklich getan zu haben und eine allgemeine Unzufriedenheit.
Ich möchte Euch einladen, mehr Qualitätszeit mit Eurem Pferd zu verbringen. Organisiert Euch, macht Euch einen Spaß daraus möglichst die ganze Zeit bei und mit Eurem Pferd zu sein. Lasst Euch nicht ablenken von anderen Einstellern, sprecht mit denen bevor ihr Euer Pferd holt oder wenn es wieder weg ist. Aber wenn ihr da seid, seid auch da. Und berichtet von Euren Erlebnissen. Ich bin gespannt.