In den letzten Jahren sind Pferde und Reiten immer günstiger geworden. Es gibt eine Vielzahl an Freizeitpferden. Vom Offenstall für 80 EUR mit Selbstbeteiligung bis zum Turnierstall bis 800 EUR gibt es etwas für jedes Einkommen.
Daher ist es nicht verwunderlich, wenn sich Reitbeteiligungen, Wiedereinsteiger oder Eltern mit pferdebegeisterten Kindern ein eigenes Pferd kaufen wollen. So schwer kann das doch nicht sein! Die Kalkulation ist dabei denkbar einfach: Höhe des Kaufpreises + monatliche Stallmiete + Kosten für Wurmkuren und Impfungen. Kürzlich gab es sogar eine Titelstory mit einem Titel wie „So kann sich wirklich jeder ein Pferd leisten“.
Warum diese Rechnung oft nicht ohne Hilfe und fundiertes Wissen aufgeht, und welchen Unterschied es macht, Reitbeteiligung oder Pferdebesitzer zu sein, davon erhältst Du einen Einblick in diesem Artikel.
Das Leben der Reitbeteiligung oder Schüler
Als Reitbeteiligung oder Schüler kommst Du 2-3x/Woche in den Stall, erledigst evtl. abgesprochene Arbeiten und bewegst das Pferd. Fertig. Du hast jede Menge Zeit und Geld für andere Dinge.
Das Leben als Pferdebesitzer
Als Pferdebesitzer kommst du so oft wie möglich in den Stall, viel Zeit für anderes hast Du nicht. Du erledigst alle Arbeiten die nötig sind, und achtest insbesondere auf mögliche Krankheitssymptome. Da es Deine Aufgabe und Verantwortung ist, dass es Deinem Pferd gut geht, ist es Deine Aufgabe, hier besonders aufmerksam zu sein. Wenn Du etwas findest, musst Du überlegen, ob Du die Behandlung (erst einmal) selbst übernimmst oder Du gleich einen Tierarzt holst.
Die Sattelfrage
Mindestens einmal im Jahr, bei Bedarf auch häufiger ist es Deine Aufgabe, den Sattel in Frage zu stellen. Einen guten Sattler zu finden, ist eine Lebensaufgabe für sich. Daher solltest Du selbst gewisse Grundkenntnisse haben, wie ein gut passender Sattel sitzen sollte.
Die Kosten für einen gebrauchten Sattel liegen in der Regel zwischen 500 – 1000 EUR, neue Sättel um die 2.000 EUR. Auch wenn Du denkst, dass es ja nicht so ein teurer Sattel sein muss – wenn Du ein kurzes Pferd mit schwieriger Rückenlage hast, macht es Dein Pferd ggf. erforderlich, dass der Sattel etwas teurer ist. Wenn Du einen Sattel „mitbekommst“ zum Pferd musst Du auch diesen überprüfen lassen. Denn Dein Pferd entscheidet, welcher Sattel passt.
Gebisslos, Trense & Co.
Egal ob Du mit Trense oder Gebisslos unterwegs sein möchtest, überall gibt es zahlreiche Möglichkeiten, zwischen denen Du dich entscheiden musst. Setze Dich mit den Wirkungsweisen der verschiedenen Gebisse und Gebisslosen Trensen auseinander. Hinterfrage sämtliches Equipment: ein Nasenriemen hat nichts an einem Pferd zu suchen und macht ihm Schmerzen. Ein zu dickes Gebiss hindert Dein Pferd am Atmen. Und bereitet ihm Schmerzen wenn die Zunge auf den Unterkiefer drückst, was passiert, wenn Du die Hand nach hinten bewegst. Schlaufzügel und Ausbinder sind Gewalt am Pferd und haben keinerlei Daseinsberechtigung. Wie würdest Du dich fühlen wenn man Dich wie ein Paket zusammenschnürt, Dein Sichtfeld massiv einschränkt und dann von Dir erwartet, locker zu werden? Trotzdem findet sich dieses Equipment noch in vielen Ställen.
Die jährliche Zahnbehandlung
Direkt nach dem Kauf und von da an mindestens einmal jährlich sollte ein Pferdedentist die Zähne Deines Pferdes behandeln. Ein normaler Tierarzt hat hierfür meist nicht die Werkzeuge und das Wissen. Du gehst ja auch nicht zum Hausarzt wenn Du Zahnschmerzen hast. Die Kosten hierfür liegen zwischen 120-200 EUR. Wenn der Dentist nicht gleichzeitig Tierarzt ist, musst Du die Kosten des Tierarztes für die Sedierung noch dazurechnen.
Der Osteopath
Direkt nach dem Kauf und dann mindestens einmal im Jahr oder öfter bei Bedarf sollte sich ein Pferdephysiotheapeut, Chiropraktiker oder Osteopath Dein Pferd anschauen. Pferde können auf der Weide fallen oder angeborene körperliche Einschränkungen haben, die sich beim Reiten durch Steifheit zeigen. Spätestens wenn sich Dein Pferd nicht leicht biegen lässt oder falsch oder gar nicht angaloppiert, solltest Du Kontakt mit einem der genannten Pferdetherapeuten aufnehmen. Die Kosten liegen in der Regel zwischen 80 – 200 EUR je Termin.
Der passende Hufbearbeiter
Direkt nach dem Kauf und dann alle 4-maximal 6 Wochen müssen die Hufe Deines Pferdes bearbeitet werden. Hierfür bieten sich Schmiede, Huforthopäden oder Hufpfleger an. Diese kosten um die 40 EUR je Behandlung. Das wichtigste ist, dass Dein Pferd gut laufen kann. Wenn es das nicht kann, viel stolpert oder immer wieder Hufkrankheiten hat, hinterfrage die Bearbeitungsweise. So oft wie es nötig ist. Ich habe in den letzten 10 Jahren 8 Hufbearbeiter verschiedener Arbeitsweisen ausprobiert. Denn den passenden Hufbearbeiter zu finden, ist eine Deiner neuen Lebensaufgaben. Beschäftige Dich mit der Hufmechanik (z.B. Wunderwerk Huf als kostenloses Download von Dr. Tina Gottwald) und erkenne, warum Beschlagen keine Lösung ist. Gute Alternativen finden sich in klebbaren Hufbeschlägen oder Hufschuhen.
Die Frage der richtigen Fütterung
In fast allen Pferdefuttern sind Zucker und andere Stoffe enthalten, die Pferde nicht brauchen, die ihnen schaden oder künstlich sind. Und wer glaubt, dass allein Heu ausreicht, um ein Pferd ausreichend mit allen Mineralien und Nährstoffen zu versorgen, irrt sich unter Umständen. Denn statt Kräuterwiesen, in denen früher alles Nötige enthalten war, finden sich heutzutage häufig Monokultur oder Rinder-geeignetes Gras. Auf solchen Hochleistungsgräsern sollten Pferde auch nicht 24 Std. verbringen, da sich hierdurch Hufrehe und andere Stoffwechselerkrankungen bilden können. Vor diesem Hintergrund kommt nicht jeder Stall in Frage.
Auch Heulage oder Silage sorgen im Pferdekörper für eine Verschiebung des Säure-Basen-Milieus. Daher sollte Wert auf gutes Heu gelegt werden, aber das zu bekommen, ist nicht immer einfach. Und meist außerhalb Deines Entscheidungsbereiches wenn Du in einem Pensionsstall stehst.
Viele Pferde haben aufgrund von falscher Fütterung oder Umwelteinflüssen sogar Nahrungsmittelallergien entwickelt. Manche auch auf Getreide, so dass der gute alte Hafer nicht immer das beste Mittel der Wahl ist.
Ob die Fütterung dauerhaft für Dein Pferd das Richtige ist, zeigt sich leider oft er nach Jahren der evtl. Kompensation. Daher ist es gut, sich rechtzeitig mit dem Thema auseinander zu setzen, spätestens aber wenn Dein Pferd Kotwasser oder Durchfall hat, sollte die Fütterung überdacht werden. Da jeder Hersteller sein Futter für das Beste hält, öffnet sich hier ein großes Feld für Dich als Pferdebesitzer.
Schulmedizin vs. Alternativer Heilung
Wenn Dein Pferd krank ist, holst Du einen Tierarzt. Je nach Region kann so ein einfacher Besuch mit Anfahrt und Behandlung zwischen 40 – 300 EUR liegen. Und nicht immer ist es mit einem Besuch getan. Die meisten Tierärzte sind Allgemeinmediziner. Meine Erfahrung und Gespräche mit spezialisierten Tierärzten haben mir bestätigt, dass diese in den Bereichen Zähne, Bewegungsapparat und Hufe oft nur über ein Basiswissen verfügen. Bei Lahmheiten hat es sich bewährt, immer auch einen Osteopathen hinzuzuziehen.
Wenn Dein Pferd längere Zeit krank ist, mach Dich selbst zum Experten! Du bist verantwortlich für die Gesundheit und das Leben deines Pferdes. Verlasse Dich nicht darauf, dass Dein Tierarzt alle Ideen für eine Krankheitsursache oder Behandlung hat. Du findest Hilfe in Facebook-Gruppen und in Foren. Natürlich musst Du auch das Wissen in Frage stellen und abwägen, was auf Dich und Dein Pferd zutrifft. Aber Du bekommst vielleicht wichtige Impulse.
Suche Dir auch einen Tierheilpraktiker über Empfehlungen und frage nach einem Behandlungsplan.
Deine Aufgabe als Pferdebesitzer ist es, Dich in völlig unbekannte und neue Themengebiete einzuarbeiten, mit denen Du evtl. nie etwas zu tun haben wolltest. Aber Du solltest die Zusammenhänge verstehen um selbst schlussfolgern zu können, was das Beste für Dein Pferd ist.
Sorgen, Nöte und Ängste von Pferdebesitzern
Als Pferdebesitzer machst Du Dir permanent Sorgen, dass etwas passiert. Und spätestens wenn Dein Pferd krank ist, hört der Spaß als Pferdebesitzer auf. Denn nun kommen unkalkulierbare Kosten und evtl. aufwendige Reha auf Dich zu. Und Du musst Dich gegenüber der Außenwelt (Hofbesitzer, Einsteller oder Familie) rechtfertigen, für das was Du mit Deinem Pferd machst oder unterlässt. Übrigens auch ohne dass Dein Pferd krank ist.
Denn plötzlich ist jeder Experte, jeder verunsichert Dich mit Kritik. Ein Thema, das insbesondere im Reitstall auftaucht. Da ist Abgrenzung gefragt. Und wenn Du Deinen Standpunkt gefunden hast, Dein Pferd aber noch nicht gesund ist, musst Du alles erneut in Frage stellen. Und fühlst Dich schlecht weil Dein Pferd immer noch krank ist. Oder hast Angst dass Du das (auch finanziell) nicht schaffen könntest. Gewöhne Dich daran, situationselastisch zu werden! Denn als Pferdebesitzer musst Du in jeder neuen Situation schnell handlungsfähig sein. Und Du musst auch mit Leuten umgehen lernen mit denen Du lieber nicht Deine Freizeit verbringen möchtest.
Deine finanzielle Situation
Die wenigsten Pferdebesitzer können sich ihr Pferd so leisten, dass es egal ist, was an Mehrkosten hinzukommt. Daher sei Dir bewusst, dass Du als Pferdebesitzer auf einige Annehmlichkeiten wie Urlaub, ein neues Auto oder neue Kleidung verzichten musst. Und das für Lebenszeit Deines Pferdes, also 20-30 Jahre. Überlege Dir gut, ob Du dazu bereit bist!
Das sind nur einige Themen, mit denen Du dich als Pferdebesitzer im Gegensatz zur Reitbeteiligung beschäftigen musst. Ein weiteres großes Thema ist die passende Stallsuche, worüber ich einen eigenen Artikel geschrieben habe.
Auch welcher Unterricht oder welche Reitweise gesundheitsfördernd für Dein Pferd ist, musst Du für Dich beantworten. Und hierfür vieles was angeboten wird in Frage stellen.
Überlege Dir also gut, ob Du lieber Reitbeteiligung bleibst oder tatsächlich bereit bist, auch diese Seite des Pferdebesitzers zu leben.